Vorbemerkung und Dank

Die Quellenlage zu folgendem Thema blieb trotz vielfältiger Bemühungen lückenhaft. In Privatarchiven fand sich dann doch manches Material. Danken möchte ich aber vor allem dem langjährigen Stadtarchivar der Stadt Mitterteich Herrn Ludwig Kraus für aufwändige Archivarbeiten wie auch Herrn Werner Männer vom Arbeitskreis Heimat für freundliche Unterstützung. Besonders ergiebig waren zudem die Unterlagen, die Frau Monika Beer-Helm dankenswerterweise aus dem Nachlass von Herrn Albert Helm zur Verfügung stellte. Geholfen haben ferner einige private Sammlungen, so stellten z.B. Herr Johann Mayer (Bürgermeister 1960-1971) wie auch die Familien Grzesina/Landgraf Fotos zur Verfügung. Mehrere behördliche Schreiben und Pläne fanden sich im Staatsarchiv Amberg, dessen Personal uns bei den Nachforschungen stets freundlich entgegenkam (Signaturen Bezirksamt Tirschenreuth 1996/1884/1890/2046). Nicht für alle Fotos ließ sich der Fotograf feststellen. Sollten Urheberrechte geltend gemacht und deshalb Korrekturen oder Löschugen notwendig werden, so möchte man sich – sofern belegbar – an den Autor wenden. Er wäre auch dankbar für weitere Fotos und Unterlagen zur Geschichte der Schule in Steinmühle.

Friedrich Wölfl 2023

Sieben Jahrzehnte Dorfschule Steinmühle

1. Wie es mit dem Schulwesen im Stiftland allgemein aussah
2. Bemühungen um eine eigene Schule
3. Die Sonderfälle Forkatshof und Altenhammer
4. Die Dorfschule in der Weimarer Republik
5. Schulleiter Hans Naber und das „Aufbauwerk des Führers“
6. Ein Dorf-Kindergarten im Krieg
7. Die Wiedereröffnung der Schule nach dem Krieg
8. Wie sich die Gemeinderäte um die Schule kümmerten
9. Die Fünfziger-Jahre: stabile Schülerzahlen um die 100
10. 1962: „Im alten Schulhaus sind bauliche Verbesserungen völlig unwirtschaftlich.“
11. Änderungen in der Bildungspolitik und Schulorganisation und die Folgen
12. Lehrerdienstwohnungen: Essen in der Kantine – Bienenzucht möglich
13. Rückblick und Fazit: der wertvolle der Beitrag der Schule zur Soziokultur in der Gemeinde

 

„…wodurch besonders den Arbeiterkindern eine große Wohlthat erwiesen wurde.“

Sieben Jahrzehnte Dorfschule Steinmühle

Vier bis sechs Kilometer einfach hatten rd. 80 Schulkinder von 6 bis 14 Jahren in den 1880er-Jahren täglich zu bewältigen. Die Dörfer Steinmühle, Pleußen, Hofteich und Gulg gehörten zum Schulsprengel der Schule in Mitterteich. Die steigende Zahl der Kinder erforderte eine andere Lösung. Deswegen wandte sich die Ortsgemeinde Pleußen erstmals am 4. Mai 1885 an die Behörden mit dem Ansinnen, in Steinmühle eine eigene Schule errichten zu können. Mit Hinweis auf das Schulbedarfsgesetz vom 10.11.1861 Art.2 Abs. 4 hieß es in dem Schreiben, es möchte „darauf hingewirkt werden“, eine Schule zu errichten. Der Schulweg würde sich auf rd. 15 Minuten verkürzen. In einem Schreiben an den Magistrat in Mitterteich wurde darauf hingewiesen, dass der Gastwirt (und Gründer der BasaltseinGesellschaft im Jahr 1880) Josef Wiendl aus Mitterteich eintausend Mark zum Bau der Schule beisteuern würde, ebenso würde er den Grund unentgeltlich zur Verfügung stellen. Die Überfüllung der Schule in Mitterteich wurde ebenfalls als Argument ins Feld geführt. Das Ansinnen blieb ungehört.

Wie es mit dem Schulwesen im Stiftland allgemein aussah

1. Das Schulwesen im Stiftland um 1800

Adalbert Busl ist in seinem Aufsatz „Das Volksschulwesen im Stiftland zu Beginn des 19. Jahrhunderts“ (HEIMAT Landkreis Tirschenreuth Band 2000) der Frage nachgegangen. Die allgemeine Schulpflicht wurde in Bayern im Nachklang aufklärerischer Entwicklungen mit dem Schulmandat vom 5. Februar 1771 eingeführt. Am 23.12 1802 folgte der allgemeine Schulzwang und die sechsjährige Pflichtschule mit anschließendem Besuch der „Feiertagsschule“ für Zwölf- bis Achtzehnjährige. Einen für alle Volksschulen gültigen Lehrplan gab es in den folgenden Jahren.

 

In welchen Ortschaften Schulen einzurichten waren, findet sich in einem „Entwurf einer Schuleintheilung im Landgerichts-Bezirke Waldsassen“, siehe obige Karte. Demnach sollten in die Hauptschule in Mitterteich auch die Kinder aus Kleinsterz, Pechofen und Hofteich eingeschult werden, in die Nebenschule in Kleinbüchelberg auch die Kinder aus Großbüchelberg, Oberteich, Pechbrunn und in die Nebenschule „Pleißen“ auch die Kinder aus Gulch, Furkatshof und Steinmühl. Gleich 1807 erkennt ein Landrichter Troppmann aus Waldsassen die Raumnöte als Ursache dafür, dass die Kinder aus den Dörfern dem Unterricht fern blieben: „Im allgemeinen habe ich übrigens hier noch allerunterthänigst zu erinnern, daß einige der Hauptschulen, als zu Konnersreith, Mitterteich und Wiesau zu klein seyen, um die Kinder der nächst gelegenen Dorfschaften aufzunehmen, welches bisher eines der hauptsächlichen Hinderniße war, welches die Dorfkinder von Besuchung dieser Schulen abhielt.“

2. Bemühungen um eine eigene Schule

Zurück zur Situation in Steinmühle am Ende des 19. Jahrhunderts. Nach dem erfolglosen Antrag im Jahr 1885 für eine eigene Schule in Steinmühle wagte man am 22. Oktober 1886 einen neuen Versuch: In einem Schreiben an die Regierung der Oberpfalz, Kammer des Inneren, erneuerte die Gemeinde ihren Wunsch – wieder mit dem Hinweis auf die Überfüllung der Mitterteicher Schule. Die Zustimmung blieb erneut aus, die Situation für die Kinder blieb unverändert anstrengend. Es folgte ein umfangreicher Schriftwechsel, in dem der Bürgermeister immer wieder auf die Benachteiligung der Kinder in den Ortschaften Steinmühle, Pleußen, Hofteich und Gulg hinwies. Dass es bei der Ablehnung der Behörden nicht so sehr um das Wohl der Kinder ging, beweist das ablehnende Schreiben des in Waldsassen ansässigen königlichen Distriktschulinspektors Sparrer vom 17. März 1887. Er verweist zunächst auf die Abgelegenheit der Schule, wird dann aber deutlicher: Nachteile hätte nämlich der Lehrer selbst, „derselbe wäre gezwungen in der nahen Ortschaft Steinmühle (zu wohnen), in welcher sich meistens rohe Steinklopfer und verschiedene zweideutige Personen“ aufhielten. Wenn auch nicht ausdrücklich formuliert: Nicht ganz von der Hand zu weisen ist wohl des Schulinspektors Einstellung, die in Steinmühle wenig förderliche, „rohe“ Umgebung könnte mit einer eigenen Schule wohl auch zu einem „rohen Biotop“ führen und den Kindern so kaum Schulerfolge ermöglichen. Der erwähnte Distriktschulinspektor war dann 16 Jahre später auch bei der Einweihung der Schule anwesend und wurde von der berichtenden Zeitung als „H.H geistl. Rath“ tituliert, mithin mag auch sein geistlicher Stand bei der Beurteilung der Situation in Steinmühle im Jahr 1887 eine Rolle gespielt haben.

Erst 15 Jahre später packte man das Thema wieder an. Jetzt wurde es endlich konkret. Im Jahr 1900 argumentierte die Gemeinde in verschiedenen Schreiben an die Behördn mit der Zahl der „Werktagsschüler“ aus den Ortschaften Pleussen, Steinmühle, Hofteich und Gulg: 1893: 68; 1894: 67; 1895: 63; 1896: 59; 1897: 53; 1898: 60; 1899: 69. Mit einer eigenen Schule würde man die Schule in Mitterteich entlasten. Auch der „Seelenstand“- so eine Übersicht der Gemeindeverwaltung Pleußen - in den Ortschaften Pleußen, Gulg, Steinmühle und Hofteich war im Jahr 1900 in den letzten fünf Jahren um knapp 15% auf insgesamt 289 gewachsen. Der Zuwachs dürfte zum grpoßen Teil durch den Zuzug von Arbeitskräften mit Familien für das Basaltwerk zu erklären sein. Die Gemeinde verwies auch auf die die Gemeindekasse belastenden jährlichen Zahlungen von über 600 Mark an den Schulsprengel Mitterteich für die Kinder aus Pleußen, Steinmühle und Gulg.

Am 28.8.1901 genehmigten die Behörden schließlich die Errichtung eines neuen Schulsprengels mit Sitz in Steinmühle. Die vier Ortschaften Sie wurden aus dem Schulsprengel Mitterteich herausgelöst. Man reagierte schnell: In Kürze bildete sich eine Schulsprengelvertretung, der wegen der Zugehörigkeit von Hofteich zur Gemeinde Leonberg auch ein Vertreter Leonbergs angehörte. Die Hofteicher Kinder sollten von Anfang an zum Sprengel Steinmühle gehören.
Die Grundstücksfrage war schnell geklärt, die Basaltwerk AG („Basaltgewerkschaft“) wollte ja schon 1885 den Grund für ein Schulhaus zur Verfügung stellen. Hier der dann 1902 verwirklichte Lageplan für das Schulhaus:

Zu erkennen ist, dass zwar das „Arbeiterhaus“ der Basaltstein AG schon besteht, aber erst später manche Änderung im Umfeld dazu kam. So führte der Weg nach Königshütte noch ebenerdig über die Bahngleise – am Bahnwärterhaus Posten 1 vorbei. Die Bahnüberführung mit Brücke kam wenige Jahre danach, ebenso entstand das „Bahnererhaus“ mit Wohnungen und Dienstzimmern an dieser Überführung. Der Feldweg nach Terschnitz/Hofteich wurde später an die Nordseite des Arbeiterhauses umgelegt und ausgebaut (heute an der Kirche vorbei).

Noch 1901 wurden die Bauarbeiten ausgeschrieben unter der Überschrift „Akkordbe-   dingungen für den Neubau eines Schulhauses in Steinmühle“. Veranschlagt waren 15 475,63 Mark, die Aufträge würden im Rahmen einer öffentlichen Submission vergeben. Neben einer Reihe von Vorgaben waren auch Termine festgelegt: So sollten die Bauarbeiten am 1. April 1902 begonnen werden, sicherzustellen war, dass „bis zum 15. Juli 1902 alles fix und fertig ist“. Es dürfe „nur gutes Material verwendet werden“. Die 25 Unterschriften von Interessenten beweisen das große Interesse an dem Neubau. Aus heutiger Sicht überrascht der straffe Zeitplan, dem sie sich unterwerfen mussten. Die Schulsprengelvertretung vergab bei der Submissionseröffnung am 9. März 1902 ausweislich des Protokolls die Maurerarbeiten an den Maurermeister Anton Staufer in Mitterteich, die Zimmerer-, Schreiner-, Schlosser- und Glaserarbeiten an den Sägewerksbesitzer Franz Weck in Königshütte. 

In kurzer Zeit war ein Finanzierungsplan zu erstellen. Er regelte, wie die Mittel zum Schulbau von den jeweiligen Orten aufzubringen waren. Die Unterlagen weisen für 1903 Gesamtausgaben für den Neubau in Höhe von 16 035,53 Mark aus.

Die feierliche Eröffnung und Einweihung in Anwesenheit der Honoratioren fand am 22. Januar 1903 statt. Dem Pressebericht zufolge hielt „Hr. Regierungsrath Fackelmann (…) in prächtiger Rede einen Rückblick über die Entstehung der hiesigen Schule“. Gutsbesitzer und Gründer der Ersten Basaltstein AG Josef Wiendl (Altenhammer) dankte den Behörden für ihr erfolgreiches Bemühen um die neue Schule, „wodurch besonders den Arbeiterkindern eine große Wohlthat erwiesen wurde.“ Aus diesem Grunde habe auch das Basaltwerk „den großen Bauplatz sowie die Steine zum Fundamente unentgeltlich abgetreten“. Die Grenzzeitung lobt das „treffliche Schulgebäude“ und lobt auch den neuen Schulsprengel, denn „trotz der Generosität der Basaltgewerkschaft und des namhaften Zuschusses seitens der k. Regierung hat sich dieser noch eine bedeutende Schuldenlast auferlegt. So haben sich alle, die an der Errichtung dieser Schule mitwirkten, für immer ein ehrendes Denkmal gesetzt.“  

Mit Verfügung vom 20. Januar 1903 übertrug die Kgl. Regierung der Oberpfalz in Regensburg dem bisher in Marktredwitz tätigen Volksschullehrer Johann Velhorn die „katholische Schuldienststelle zu Steinmühle“. Zu unterrichten waren wohl gut 60 Kinder in allen sieben Jahrgangsstufen/Klassen. Er erhielt einen „ständigen Gehaltsergänzungszuschuss aus der neuen Kreisschuldotation von jährlich 300 Mark“ ebenso 300 Mark jährlich aus dem Kreisfonds. Die Baupläne unten lassen erkennen, unter welchen räumlichen Bedingungen er arbeiten musste.

Im Erdgeschoss entstand die Lehrerwohnung 1. Ordnung (WC außerhalb), im 1. Stock ein Schulsaal, in dem dann bald bis zu 100 Kinder der verschiedenen Altersklassen, ggf. auch im Schichtbetrieb, Platz finden mussten. Dass die pädagogischen und didaktischen Möglichkeiten begrenzt waren, ist leicht einzusehen.

Die Baupläne unten lassen erkennen, unter welchen räumlichen Bedingungen er arbeiten musste. Im Erdgeschoss entstand die Lehrerwohnung 1. Ordnung (WC außerhalb), im 1. Stock ein Schulsaal, in dem wenige Jahre später bis zu 100 Kinder der verschiedenen Altersklassen, ggf. auch im Schichtbetrieb, Platz finden mussten. Dass die pädagogischen und didaktischen Möglichkeiten begrenzt waren, ist leicht einzusehen.

Zu einem großen Tag in der Gemeinde und den umliegenden Ortschaften wurde der 22. Januar 1903. Bürgermeister Burger konnte eine Reihe von Ehrengästen begrüßen, die Grenzzeitung aus Waldsassen berichtete unter der Rubrik „Von der Wondreb“.


Der Schlusssatz in der Grenzzeitung „Für immer ein ehrendes Denkmal“ wurde schon neun Jahre später in Frage gestellt. Die „verstärkte Gemeindeverwaltung“ stellte nämlich einen Antrag an das Bezirksamt Tirschenreuth: Einerseits brauche es eine zweite Lehrerstelle, andererseits den Bau eines neuen Schulhauses mit zwei Lehrsälen. Man konnte mit Schülerzahlen und Flächen gut argumentieren: Im fünfjährigen Durchschnitt hatte die Schule jetzt insgesamt 90 Mädchen und Jungen. Für 1912 meldete Bürgermeister Wührl aus Rosenbühl auf die sieben Schuljahre/Klassen verteilt 58 Knaben und 43 Mädchen. Bei einer Schulsaalgröße von 86,25 qm blieb für jedes Kind grade mal knapp ein Quadratmeter. Um die Dringlichkeit des Anliegens zu verdeutlichen gab er auch einen Ausblick auf die Schülerentwicklung der nächsten Jahre, getrennt nach Knaben und Mädchen: 1913: 63/43; 1914: 63/43; 1915: 54/42; 1916: 54/44; 1917: 55/40. Mithin waren stets rd. 100 Kinder zu beschulen. Nur der Bau eines neuen Schulhauses mit zwei Schulsälen konnte aus Sicht der Gemeinde die Lösung zu sein.
Man war deswegen mit dem Basaltwerk wegen eines Grundstücks im Gespräch und wollte ggf. das bisherige Schulhaus an das Basaltwerk verkaufen, das sich auch nach dem Preis erkundigte. Im Oktober 1912 lehnte aber der Aufsichtsrat des Basaltwerks den Kauf ab. Der nötige Umbau zu einem Arbeiterwohnhaus hätte unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, auch weil eine Unterkellerung notwendig geworden wäre. Der Aufsichtsrat empfahl der Gemeinde, das bisherige Schulhaus aufzustocken: Es sei neu, der Dachstuhl wohl abzutragen und wieder zu verwenden. Ein neuer heller Schulsaal würde entstehen, und - aufschlussreich im Schreiben des Direktors Kolb seine Empfehlung - „für die zweite Lehrkraft, die doch nicht durch eine Verheiratete besetzt werden wird, könnte ein geräumiges Zimmer mit Küche eingerichtet werden.“ Notfalls ließen sich im Dachstuhl noch weitere zwei Zimmer einrichten.
Schon am 25. September 1912 hatte das Kgl. Bayer. Bezirksamt Tirschenreuth in einem Schreiben an die verstärkte Gemeindeverwaltung Pleußen vom 25. September 1912 geklärt, „dass das von der Gemeinde vorgelegte Anbauprojekt keine Aussicht auf Regierungs-genehmigung hat“. Schließlich folgte man dem Rat des Basaltwerkdirektors und stockte auf. Der Bau konnte noch am Ende des Jahres 1912 abgerechnet werden.
Der Plan für das „Mansardgeschoß“ sah neben dem Schulsaal auch ein Zimmer für einen unverheirateten Lehrer vor.

Am 4. November visitierte Dr. Möges vom Bauamt Tirschenreuth den neuen Stock. Im Bericht bestätigt er, dass den Plänen entsprechend gebaut worden war. Er sah zwar noch einzelne feuchte Stellen an Wänden, schloss aber mit dem Fazit: „Bis in zwei Wochen können der Schulsaal und die Hilfslehrerwohnung ohne gesundheitlichen Nachteil bezogen werden.“

Wenige Monate später wurde im August 1913 dann die gewünschte 2. Lehrerstelle von der Regierung der Oberpfalz genehmigt. Für 72 Kinder wurden Schulmöbel angeschafft. 

Die Sonderfälle Forkatshof und Altenhammer

3. Ein- und Umschulungen

Seit Eröffnung der Schule besuchten sechs Schülerinnen und Schüler aus dem Weiler Forkatshof mit seinen zwei Bauernhöfen und dem Bahnwärterhäuschen die Schule in Steinmühle. Da der Weiler zur Gemeinde Pfaffenreuth und zum Schulsprengel Leonberg gehörte, lag eine Umgliederung in den Schulsprengel Steinmühle nahe. Der Mitterteicher Pfarrer J. Mayer gab in seiner Eigenschaft als Lokalschulinspektor und Distriktsschulinspektor sein Einverständnis. Erst mit Schreiben vom 30.4.1914 wurde die Umschulung von der Regierung der Oberpfalz, Kammer des Inneren, verfügt.  Die entsprechenden Anträge waren mit Wegeskizzen versehen, um die Schwierigkeiten für die Kinder deutlich zu machen.

Die Entfernung und Wegeverhältnisse durch Wald und Flur und bei Wondreb-Hochwasser im Winter öfter auch mit großen Eisflächen sprächen dafür: Zur Schule in Steinmühle waren es ein Kilometer, nach Leonberg vier. Bedenken der Gemeinde Pfaffenreuth wegen der ihr dann entstehenden Kosten wurden von der Behörde als unerheblich eingestuft. Da seit 1913 eine zweite „Lehrstelle“ errichtet war, drohte auch keine Überfüllung der Schule in Steinmühle.

Umfangreich war der Schriftwechsel im Jahr 1902 wegen der Umschulung der Kinder der Familie Wildenauer. Sie wohnte im Postenhäuschen an der Bahn am Weg zwischen Hofteich und der Straße zwischen Mitterteich und Waldsassen, der Übergang wurde von einem Posten gesichert. Die Kinder gehörten zum Schulsprengel Leonberg. Natürlich war der Weg in die neue Schule in Steinmühle erheblich kürzer. Dem Anliegen wurde schließlich entsprochen.  

Die Kinder aus dem Weiler Altenhammer, ebenfalls der Gemeinde Pfaffenreuth zugehörig, wurden zwar formell nach Waldsassen eingeschult. Allerding durften sie gastweise die Schule in Steinmühle besuchen. Erst 1932 wurden sie auch wegen Überfüllung der Waldsassener Schule behördlicherseits ausgeschult und mit Wirkung vom 1. Oktober 1932 zur Schule in Steinmühle eingeschult. Diese Entwicklungen waren jeweils mit personellen Veränderungen in den zuständigen Gremien verbunden. 

Auch später konnten Mädchen und Jungen aus Ortschaften in den Gemeinden Pfaffenreuth und Leonberg die Schule in Steinmühle besuchen. Statt den weiteren Schulweg nach Leonberg konnten - in Abstimmung mit den Gemeinden - Kinder aus Königshütte/Neumühle den kürzeren Schulweg nach Steinmühle nutzen. Kinder aus Hofteich/Terschnitz gehörten von Anfang an zum Schulsprengel Steinmühle.

Die Dorfschule in der Weimarer Republik

4. Nach dem 1. Weltkrieg

Die beiden Klassenfotos sind um 1920 entstanden. Den sechs- bis achtjährigen Kindern sind die Kriegs- und Nachkriegsleiden und -nöte nahezu ins Gesicht geschrieben, links ihr junger Lehrer Josef Landgraf (geb. 1894), der den 1. Weltkrieg als Soldat und als Kriegsgefangener in Serbien erlebt hatte. Das Foto wurde - wie auch das folgende - dankenswerterweis von der Familie Landgraf/Grzesina überlassen. Josef Landgraf war vom 1.9.1919 bis 31.8.1923 als Lehrer in Steinmühle tätig und wohl auch im Gemeindeleben integriert.

 

Das Mädchen aus Hofteich ging mit ihrer Ausbildung den damals typischen Weg für ein Kind und eine junge Frau aus einer Bauernfamilie: Sie schloss ihre Volksschulzeit nach der 7. Klasse im Jahr 1926 "mit hervorragendem Fleiße" ab, sie habe "ein hervorragendes Betragen gepflogen".  Zur gleichen Zeit verlor sie ihren Vater, der an den Spätfolgen seiner Kriegsverletzungen starb. Anschließend besuchte sie die "Volksfortbildungsschule" ("Feiertagsschule"? ) bis 1929 und hatte damit lt. Zeugnis "der Schulpflichtverordnung vom 22. Dezember 1913 Genüge geleistet". Weiter heißt es: "Der Schülerin wurde ein Exemplar der Reichsverfassung ausgehändigt." Vom 1.11.1930 bis 1.4.1931 schloss sich der Besuch der "Landfrauenschule" in Tirschenreuth  an (Winterschule?). Fächer waren dort u.a. Bügeln, Säuglingspflege, Milchwirtschaft, Geflügelzucht und Tierpflege. Auf dem folgenden "Märchenspielfoto" steht sie, damals vielleicht Zweitklässlerin, mit Kopftuch und Tüte in der Mitte unten.

Wie schon vor und bei der Entstehung der Schule gab sich der verstärkte Gemeinderat und die Schulpflegschaft im Jahr 1928 in einem Gesuch sehr kämpferisch: Mit der Regierungsentschließung vom 11. Januar 1928  wurde der Gemeinde bekanntgegeben, dass die im Jahr 1913 erkämpfte 2. Lehrerstelle wieder eingezogen würde. In einem Schreiben vom 4. Februar 1928 verwies der Gemeinderat auf den guten Zustand der Schule, man wird „selten eine Schule finden, die in solch sauberen Stande gehalten ist, die räumlich und den Lehrmitteln nach so ausgestattet ist als unsere Schule. Diese unsere grossen Opfer fürfen nicht dadurch belohnt werden, dass man die zweite Lehrkraft nimmt“. Die Einziehung schaffe unter der

Bevölkerung viel böses Blut. Die Behörde müsse wohl ein Interesse daran haben, den Grund der Verbitterung alsbald zu beheben. Und am Ende des Schreibens wird man noch couragierter: „Ein eventuell ablehnender Bescheid würde uns zwingen uns an das Ministerium zu wenden.“ Der Widerspruch hatte wohl Erfolg, eine Lehrerliste nennt jedenfalls für das Schuljahr 1928/29 den Hauptlehrer Theodor Mayer und die Lehrerin Sophie Höfer als Lehrkräfte und nach deren Tod Anfang 1929 als Nachfolgerin Gertrud Schreiegg.

Das Handbuch der Lehrerschaft, 1940 herausgegeben vom Nationalsozialistischen Lehrerbund, verzeichnet als Schulleiter seit 1939 Ernst Armer, der für 62 Schülerinnen und Schüler zuständig war. Frau Berta Zacherl unterrichtete 67 Schülerinnen und Schüler.

Der Vorgänger von Ernst Armer war Hans Naber, er fiel durch besonderes NS-aktives Verhalten auf, das auch 1938 zu seiner Versetzung führte, wie die folgende Episode zeigt. 

Schulleiter Hans Naber und das „Aufbauwerk des Führers“

5. NS-Zeit

Die hier geschilderten Vorfälle aus den Jahren 1937/38 wurden bereits in einem Artikel in „HEIMAT Landkreis Tirschenreuth“ Band 34/2022 beschrieben. Er wird hier mit Zustimmung des Schriftleiters Peter Knott eingefügt. Danken möchte ich dem Stadtarchivar der Stadt Mitterteich Ludwig Kraus für aufwändige Archiv- und Dokumentationsarbeiten und Herrn Landrat a.D. Karl Haberkorn für hilfreiche Recherchehinweise, insbesondere zur Vereinsgeschichte.

Friedrich Wölfl

Vom Parteigenossen zum Über-Nationalsozialisten bis zum Volksschädling

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„…damit er sobald als möglich aus der Gemeinde wegkommt“

Wie eine NSDAP-Gruppe den Ortsfrieden in Steinmühle wiederherstellte         

Die hier wiedergegebene Episode wirft ein Licht auf Vorgänge um einen Schulleiter der Dorfschule Steinmühle Ende der 1930er-Jahre. In Ton und Verfahren weist sie einige Besonderheiten auf. Die Überschrift dazu könnte auch heißen: Zur Einordnung: Das Ziel des Nationalsozialistischen Schulwesens, den nationalsozialistischen Menschen zu formen, wurde mit einer Vielzahl von Vorgaben an Ministerien und Schulen schon in den ersten Monaten der NSDAP-Herrschaft deutlich. Die Phasen müssen hier nicht nachgezeichnet werden. Die Gleichschaltung von Behörden, Entscheidungsebenen und Organisationen gelang Hitler innerhalb weniger Monate nach der Übernahme des Reichskanzleramts am 30. Januar 1933. Ein Jahr später ging mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Reiches“ vom 30. Januar 1934 die gesamte öffentlich organisierte Erziehung von den Ländern auf das Reich über. Für den Alltag an den Schulen war noch entscheidender die Personalpolitik der NSDAP: Die gleichgeschalteten Kultusministerien wurden konsequent mit NS-treuen Parteileuten besetzt. Dass auf diese Weise auch der früher wegen sittlichen Fehlverhaltens aus dem Lehramt entfernte Parteigenosse Hans Schemm plötzlich Kultusminister für Bayern wurde, passt ins Bild dieser rigorosen Personalpolitik.

Die „Säuberungsaktionen“ im Lehrpersonal auf den unteren Ebenen folgten mit hohem Tempo, verbunden mit Entlassungen von nichtarischen, von als politisch unzuverlässig oder als oppositionell eingeschätzten Lehrkräften. Die Säuberung war so umfassend, dass wegen Lehrermangels mitunter der Unterricht ausfiel und deswegen Ferien verlängert werden mussten. Ein Fragebogen verlangte von den Lehrkräften Auskünfte über die politische Einstellung, es folgten weitere Entlassungen. Die Bedeutung der Linientreue wurde allen bewusst. Um sie zu beweisen oder Karrierechancen zu sichern, traten viele Beamte in die NSDAP ein. Fälle von Entlassungen gab es auch in den folgenden Jahren, ebenso zur Disziplinierung geeignet waren Zwangsversetzungen oder Partei-Ausschlussverfahren wegen tatsächlicher oder vorgeschützter oppositioneller Bestrebungen.

Ein besonderer Fall wurde der am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetretene Parteigenosse Hans Naber. Die Ereignisse spielten sich an der kleinen Volksschule Steinmühle mit rd. 120 Schülerinnen und Schülern im Bezirksamt Tirschenreuth ab. Hier wurde ein Parteigenosse aus ganz anderen Gründen versetzt, auch nicht wegen Inkompetenz oder persönlicher Verfehlungen. 

Den Schilderungen liegen die Schreiben der Ortsgruppe der NSDAP, des stellvertretenden Bürgermeisters und des Kreisgerichts Tirschenreuth/Kemnath zugrunde. Inwieweit die Vorgänge von persönlichen Animositäten oder sonstigen in den Schreiben nicht genannten Ereignissen beeinflusst waren, bleibt offen. Mögliche soziologische Hintergründe werden noch erwähnt.

Bei Recherchen zur Schulgeschichte in der Gemeinde Pleußen fanden sich mehrere Schreiben zu einem Fall aus den Jahren 1937/38. An dem Beispiel zeigt sich, wie besorgt die lokalen NSDAP-Organisationen sogar um die Akzeptanz der eigenen Leute in der Bevölkerung sein mussten.

 

„…um Ordnung in der Gemeinde und Ortsgruppe der NSDAP zu schaffen“

Die Situation scheint, so die Unterlagen, schon seit Beginn der Dienstzeit Nabers im Jahr 1934 angespannt gewesen zu sein. Parteimitglied Hans Naber war im Jahr 1934 an die Volksschule versetzt worden. Gleichzeitig hatte er im Erdgeschoss des Schulgebäudes in Steinmühle die „Dienstwohnung 1. Ordnung“ bezogen, d. h. mit laufendem Wasser, Bad, Abort, elektrischem Licht, Hausgarten, Holzlege und Gelegenheit zu Bienenzucht.  

Der neue Schulleiter verdarb eine mögliche gute Atmosphäre in seinem neuen Umfeld schon von Anfang an. Als er sich bei Gemeinde und NSDAP-Ortsgruppe vorstellte, fiel wohl von ihm die Behauptung, „seine Versetzung nach Steinmühle erfolge auf Antrag der Gauleitung, um Ordnung in der Gemeinde und Ortsgruppe der NSDAP zu schaffen“. Nicht verwunderlich, wenn dieser stramme Auftritt die Chancen für ein gedeihliches Zusammenarbeiten beeinträchtigte. Die Hintergründe, auf die sich Naber hätte beziehen können, sind nicht weiter dokumentiert, könnten aber mit dem Vereinsleben in der Gemeinde zusammenhängen.

 

Mangelnde Unterstützung beim „Aufbauwerk des Führers“

Die Ereignisse spitzten sich drei Jahre später zu: Die Ortsgruppenleitung der NSDAP verlangte eine Beurteilung des Lehrers durch das NSDAP-Kreisgericht Tirschenreuth-Kemnath. Der Vorsitzende Stäudele formulierte mit Datum vom 5. August 1937, selbstverständlich von den NSDAP-Leuten vor Ort entsprechend informiert, eine Art Gutachten. Im Vorfeld war es wohl bereits vor dem Parteigericht zu Sühneterminen gekommen. Anlässe waren, so der Vorsitzende, Zusammenstöße mit Bürgermeister und Ortsgruppenleitung, Streitereien mit Eltern, Hetzereien und Beschwerden an vorgesetzte Dienststellen. Die Sühnetermine führten „in keinem Fall zu einem befriedigenden Ergebnis“ und blieben wirkungslos. Der Lehrer werde von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt. Und wörtlich weiter: „Dem Ortsgruppenleiter fehlt der Lehrer, der ihm die notwendige Unterstützung am national-sozialistischen Aufbauwerk des Führers geben kann“. Deutlicher lässt sich nicht sagen, welcher Aufgabe Lehrkräfte verpflichtet waren.

Allerdings – und das ist eine der Besonderheiten: Der Parteigenosse Naber arbeitete nicht dem national-sozialistischen Staat entgegen, es heißt im Gegenteil: „Naber ist Über-Nationalsozialist“. Das Kreisgericht vermutet darin die ablehnende Haltung in der Bevölkerung.

 

Hintergründe zur soziologischen Struktur:

Die Zusammensetzung von Bevölkerung und Elternschaft mag einer der Gründe für die ständigen Verstimmungen sein: Die bäuerlich-katholische Bevölkerung einerseits und ein hoher Anteil von Arbeitern andererseits, die in den Steinbrüchen und Tongruben und im örtlichen Basaltwerk ihren Lebensunterhalt bestritten, waren tendenziell Milieus, die nicht übermäßig begeistert auf nationalsozialistisches Gehabe positiv reagierten. Das Vereinsleben in der Gemeinde wurde von Organisationen bestimmt, die wenig Nähe zu nationalsozialistischen Ideen zeigten, ohne dass sich offener Widerstand formiert hätte:

Ein 1907 gegründeter „Hilfs- und Transportabeiterverein“ wurde 1911 zum katholischen Arbeiterverein (Katholische Arbeitnehmerbewegung/KAB, nach 1946 Katholisches Werkvolk). Er konnte bis 1936 arbeiten, die Protokolle der Sitzungen lassen jedoch Schwierigkeiten mit der NSDAP und der Reichsarbeitsfront (RAF) erkennen, in der jeder Arbeiter Pflichtmitglied sein musste.

Auch der Sportverein „Solidarität“ (Gründungsdatum unbekannt) war zunächst ein Radfahrer- und Motorsportverein und hatte schließlich eine Fußballsparte („die „Rote Elf“). Ihm verweigerte der Gemeinderat im Mai 1933 „mangels gemeindlicher Finanzen“ einen Zuschuss. Ein Pachtvertrag wurde aufgrund Bezirksamtlicher Anordnung von der Gemeinde gekündigt. Ein neuer Sportverein war schon 1932 gegründet worden. Name und Mitgliedschaft der „Solidarität“ legen eine Nähe zur sozialdemokratisch orientierten Arbeiterbewegung nahe. Dass ihm schnell die organisatorischen Grundlagen entzogen wurden, war im Zuge der Gleichschaltung von Vereinen und Organisationen nur folgerichtig.

 

„…von der Arbeiter-Bevölkerung in Steinmühle nicht verstanden…“

Das Kreisgericht bezog sich bei seiner Beurteilung vom 5. August 1937 auf die Stimmung in der Partei und in Elternkreisen und hielt eine Versetzung für „das Gegebene“. Es milderte die Einschätzung ab mit einem Verweis auf die Besonderheit der Bevölkerung, denn: „Wenn Pg. Naber von der Arbeiter-Bevölkerung in Steinmühle nicht verstanden werden kann und abgelehnt wird, so kann m.E. in einem anderen Ort und in einer anderen Gegend Bayerns sehr wohl das Gegenteil der Fall sein.“ Eine Versetzung des Schulleiters hielt das Parteigericht schließlich für unbedingt notwendig.

Mit diesem „Gutachten“ der übergeordneten NSDAP-Ebene im Rücken schrieb Ende September 1937 der stellvertretende Bürgermeister über das Bezirksamt Tirschenreuth an die Regierung in Regensburg, Kammer des Inneren, betreffend „Dringende Bitte um Versetzung des Hauptlehrers Johann Naber von Steinmühle“. Ein „Hoheitsträger“, vermutlich der Bürgermeister Karl Sudhoff, habe dem Lehrer die Versetzung kürzlich nahegelegt. Er werde zusagen, so Naber, sobald er „eine ihm passende Stelle“ fände.  Die Gemeinde wollte wohl das Verfahren beschleunigen und auch die Umzugskosten übernehmen. Der Kreisamtsleiter des Nationalsozialistischen Lehrerbunds Parteigenosse Hahn werde ebenfalls in der Sache bei der Regierung vorstellig werden.

Die Dringlichkeit wird in dem Schreiben unterstrichen mit den jüngsten Ereignissen:

Aufgeführt wird die Verweigerung des Lehrers, den Gemeinderat zu einer Sitzung im Gemeindezimmer im 1. Stock ins Haus zu lassen. Ein Nachtriegel versperrte den Zugang. Als man die nachfragende jüngere Tochter darauf hinwies, dass Gemeinderatssitzung sei, habe sie geantwortet: „Das müssen Sie uns doch melden, wir müssen doch wissen, was in unserem Haus vorgeht.“ Das Schulhaus gehörte natürlich der Gemeinde.

Die Bevölkerung sei sehr aufgebracht, der Lehrer ordne sich nicht in die Volksgemeinschaft ein. Außerdem schwimme eine junge Schulamtsbewerberin schon „ganz im Fahrwasser der Familie Naber“. Es stehe zu befürchten, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken. Man solle dem Lehrer einige Stellen anbieten, damit er „sobald als nur möglich aus der Gemeinde wegkommt.“

 

„…man kann ihn bald als Volksschädling bezeichnen“.

Es kam zu weiteren Zwischenfällen: So habe Pg. Hauptlehrer Naber die Hitler-Jugend nicht für einen Heimabend ins Gebäude gelassen, der dann im Winter bei Wind und Wetter im Freien durchgeführt wurde. Ein weiterer Konflikt: Die Tochter Erna Naber war Jung-Mädel-Führerin und hielt ihre Heimabende im unteren Schulsaal ab. Sie war 1938 zurückgetreten. Daraufhin habe Naber den Schulkindern gesagt, er werde sie nicht mehr in die Schule lassen, seine Tochter sei ja nicht mehr Führerin. NSDAP-Ortsgruppenleiter Göring fasste die Vorfälle in einem Schreiben an das Kreisgericht der NSDAP-Tirschenreuth am 21. Juni 1938 zusammen. Er beantragte ein Parteiausschlussverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens. Gleichzeitig verlangte er die Abberufung dieses sich selbst „Volksbildner“ nennenden Manns und charakterisierte ihn als „herrsch- und rachsüchtigen Menschen, … man kann ihn bald als Volksschädling bezeichnen“.

Das Verfahren fand dann noch im selben Sommer einen Abschluss. Nabers „Lehrstelle“ wurde durch einen Schulamtsanwärter nach den Sommerferien ersetzt. 

Nach einem halben Jahr wurde auch die Schulleiterstelle besetzt. Übertragen wurde sie dem  Lehrer Ernst Armer, dem ab 1.1.1939 auch die „Dienstwohnung 1. Ordnung“ zugewiesen wurde. Damit fand die Episode ihr Ende.

Sie belegt einmal Einfluss und Methoden der NSDAP gerade auch im Mikrokosmos einer Dorf-Gemeinde und das problemlose Zusammenspiel von Partei und Verwaltung. Nicht zuletzt wird deutlich, dass es „Volksbildner“ gegeben hat, die es selbst in den Augen der NSDAP mit ihrem Nationalsozialismus übertrieben haben. Da sie damit den Frieden im Ort und vielleicht auch die Akzeptanz des NS-Systems gefährdeten, sah sich die NSDAP in der Gemeinde gezwungen, tätig zu werden. Wo Hans Naber seit seiner Versetzung unterrichtete und evtl. „besser verstanden“ wurde, ließ sich nicht herausfinden.

Ein Dorf-Kindergarten im Krieg

6. Kindergarten im Krieg

Einige Zeugen können sich noch erinnern: Während der Kriegsjahre bis Kriegsende hat es wohl im Schulhaus im 1. Stock einen Kindergarten gegeben. Er muss, so die Erzählungen, bei den Kindern äußerst beliebt gewesen sein. Zum Personal gehörte u.a. Rosa Wölfl (verh. Brandl). Als Beleg fanden sich nur die folgenden beiden Fotos, für weitere Hinweise wären wir dankbar.

Nach dem Krieg wurden die Kindergarten-Räume für die Gemeindekanzlei gebraucht.

 

Die Wiedereröffnung der Schule nach dem Krieg

7. Nach 1945

Am 18.9.1945 wurde die Schule wieder eröffnet. In einem Schreiben an den Gemeinderat geben Landrat und Schulrat die Erlaubnis „mit Einverständnis der Alliierten Militärregierung“. Die Schülerzahl wird mit 106 angegeben, als Lehrkraft fungierte Margareta Nusko. Verfahren werden sollte nach dem Landeslehrplan von 1926, Lernmittel seien bei den Schulräten zu bestellen, monatliche Lehrstoffverteilungspläne sind zu erstellen. Besonders gebeten wird darum, Rücksicht zu nehmen auf die „vielen und großen Bildungslücken“, und: Die Eröffnung ist würdig zu gestalten. Ein Übergangslehrplan beschreibt als Unterrichts-gegenstände Religion, Rechnen, Deutsche Sprache, Heimatkunde und Turnen. Der Landrat und Schulrat wolle sich „sehr bald von dem inneren und äußeren Schulbetrieb der wiedereröffneten Schulen an Ort und Stelle eingehend überzeugen“.

Die folgenden Klassenfotos und Namenslisten wurden mir dankenswerterweise von Frau Monika Beer-Helm überlassen, sie stammen aus den Unterlagen von Albert Helm. Wer die Lücken auffüllen kann, möchte sich an den Autor wenden.

Wie sich die Gemeinderäte um die Schule kümmerten

8. Beschlüsse des Gemeinderats

In der relativ kleinen Gemeinde war es selbstverständlich, dass alle schulischen Belange im Gemeinderat beraten wurden. Die Beschlüsse dazu wurden alle einstimmig gefasst. Einige Blicke in die Protokolle, Haushaltspläne und Quittungsbelege beweisen, dass die Vorgänge oft sehr detailliert waren, einige Beispiele:

So waren im Jahr 1913 nach dem Tod des Prinzregenten Luitpold im Dezember 1912 für zwei „Prinzregentenbilder“, vermutlich für die Gemeinde und die Schule, 6 Mark für die Gemeindekasse fällig. Natürlich musste in bayerischen Amtsstuben der neue Prinzregent Ludwig III präsent sein, er wurde im November der letzte bayerische König.

Im Jahr 1913 erfolgte der Anschluss des Schulhauses an die Wasserversorgung Königshütte/Neuhof/Steinmühle.

Für den Hilfslehrer Weiß erhielt die Gemeinde vom Königlichen Rentamt Waldsassen im Jahr 1914 25 Mark als eine Art Zuschuss

Eine „Verwalterin“, vermutlich die Hausmeisterin der Schule, stellte im Januar 1915 eine Rechnung über einen Liter Benzin an die Gemeinde. Er war zum Auftauen der Wasserleitung im Schulhaus verwendet worden. Im gleichen Jahr waren als Vergütung für den Schulboten 15 Mark angesetzt, für Brennholz zur Beheizung der Unterrichtszimmer 308 Mark, für das halbe Gehalt des Volksschullehrers Maier 600 Mark. Die anderen 600 Mark kamen aus dem Kreisfonds.

Im November 1950 wurde beschlossen, dass in der Schule eine Weihnachtsfeier stattfinden sollte und jedes Kind zwei Mark erhalten würde. Gleichzeit fiel der Beschluss den Schulhof aufzuschottern. In anderen Sitzungen ging es um den Abbruch und den Wiederaufbau der Abortanlagen im Schulhaus (1954), die Reparatur der „Holzschupfe“ (1955), die Ausbesserung der Dachrinnen, die Erneuerung des Gartenzauns oder die Anschaffung eines Ofens „für die unteren Klassen“ (1957), aber auch um Schulmöbel, Lehrmittel wie Wandkarten oder – als größere Anschaffung – die Einrichtung für eine Schulküche (1960).

 

Die Fünfziger Jahre: stabile Schülerzahlen um die 100

9. 1950er Jahre

Das Handbuch des Oberpfälzer Kreislehrervereins gibt für April 1957 eine Gesamtschülerzahl von 104 an, als Lehrkräfte waren tätig Karl Rudofsky seit 1945, Maria Schinner und Hans Wopperer seit 1956.

„Im alten Schulhaus sind bauliche Verbesserungen völlig unwirtschaftlich.“

10. 1962: neues Schulhaus

Wegen Raummangel wurde vom Schulverband Steinmühle im Jahr 1962 ein neues Schulhaus unweit der Kirche an der Bundesstraße geplant. Die Berechnungen der Schülerzahlen für die fünf Schuljahre ab 1962/63 schwanken zwischen 102 und 109. Wegen der regen Bautätigkeit rechnete man mit einem weiteren Ansteigen.

Weder der Gemeinderat noch die im Folgenden mit dem Neubau befassten Behörden konnten ahnen, dass im folgenden Jahrzehnt sich strukturelle Änderungen in der Schulpolitik und Schulorganisation ergeben würden, die dem Neubau „nur“ für ein knappes Jahrzehnt seine ursprüngliche Bestimmung sicherten.

Jedenfalls hatte man feste Pläne: Die Gesamtherstellungskosten für ein neues Schulhaus wurden auf 475 000 DM beziffert, einschließlich Baugrund und Turnhalle. Dem Architekturbüro Dr. Hammerling, Tirschenreuth, wurde die Planung und später die Bauoberleitung übertragen. In einem Schreiben vom 16.8. 1962 fasst er die Position des Bauherrn und die Notwendigkeit eines Neubaus und die Pläne zusammen (Auszug):

 

Nach Eingang der erforderlichen Gutachten und der Zuschusszusagen seitens der Behörden wurde im Frühjahr 1963 mit den Bauarbeiten begonnen. Am 1. 4.1963 wurde die Firma Karl Bauer, Mitterteich, mit den allgemeinen Bauarbeiten beauftragt, sie sollten am 30.11.1963 beendet werden. Die Arbeiten verzögerten sich, denn eine Einladung an die Mitglieder des Schulverbands für den 5. Dezember in die Gastwirtschaft Mark in Neupleußen belegt, dass zu „heizungstechnischen Fragen“ eine Film-Vorführung stattfand, bei der Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben wurde.

Im Herbst 1964 konnte das Gebäude schließlich seiner Bestimmung übergeben werden.

Änderungen in der Bildungspolitik und Schulorganisation und die Folgen

11. Neue Bildungspolitik und Schulorganisation

Das neue Schulgebäude diente nicht sehr lange Unterrichtszwecken, ein ähnliches Schicksal ereilte die 1965/66 neu gebaute Schule in Leonberg. Die Bildungspolitik verfolgte neue Strategien: Die Staatsregierung hatte lange Jahre den Grundsatz verfolgt, jedes Dorf oder  jede Gemeinde sollte eine örtliche Volksschule haben. Davon kam man ab: Eine zeitgemäße Bildung sah man in den 1960er-Jahren eher durch größere schulische Einheiten mit einem breiteren Unterrichtsangebot gewährleistet.

Auf der Grundlage des sog. „Hamburger Abkommens“ von 1964 wurde auch in Bayern ab 1966 die Volksschule in Grund- und Hauptschulen unterteilt. Damit war die Auflösung der wenig gegliederten „Zwergschulen“ verbunden. In Bayern bedeutete das in den Jahren zwischen 1965 und 1982 einen starken Rückgang von 6 622 auf 2 828. Die Einrichtung von sog. Verbandsschulen hatte eine neue Welle von Schulneubauten bzw. Umbauten zur Folge.

Im Zusammenhang mit der Neuordnung des Schulwesens änderten sich die bisherigen Zuordnungen. Schon 1969 schlossen sich in einem ersten Schritt die Gemeinden Pleußen, Leonberg, Pfaffenreuth und Großensees zum Schulverband Leonberg/Steinmühle zusammen, verwaltet von der Gemeinde Pfaffenreuth. Die Bildung des Schulverbands ging nicht ohne Verhandlungen zwischen den beteiligten Gemeinden ab: Die Gemeinde Pfaffenreuth wollte, dass das Schulgrundstück mit Schulhaus dem Schulverband übertragen würde. Beides war jedoch im Besitz der Gemeinde Pleußen. Die unterschiedlichen Positionen wurden dann bei der Auflösung des Schulverbands mit Eingliederung nach Mitterteich im Herbst 1973 erneut deutlich. Die Gemeinde Pleußen wollte den Gemeinden Leonberg und Pfaffenreuth die von ihnen zum Schulhausneubau eingebrachten Eigenmittel auszahlen, sie würde so zum Alleineigentümer des bebauten Schulgrundstücks mit Verfügungsrecht im Falle der Auflösung der Schule. Die andere Möglichkeit sah eine anteilige Besitzübertragung des Grundstücks an die drei Gemeinden vor.  

Bis 1973 war das Gebäude von der achtklassigen Teilschule Leonberg-Steinmühle belegt. Im Schuljahr 1973/74 wurden Klassen der Hauptschule Mitterteich in Leonberg untergebracht, dann gastierten dort zwei Schuljahre lang Klassen der damaligen Sonderschule Waldsassen. Nach dem folgenden Leerstand wurde das noch nicht einmal zehn Jahre alte Gebäude verkauft und dient seitdem Wohnzwecken.

Das gerade einmal zehn Jahre alte „neue“ Schulhaus kaufte mitte der 70er-Jahre nach Auflösung der Schule und der Umgliederung in die Mitterteicher Schule eine Porzellanmanufaktur und nutzte es als Betriebsgebäude. Danach wechselten die Besitzer, das Gebäude unterlag verschiedenen Zwecken, u. a nutzte eine Bäckerei die Räume. Ende 2021/Anfang 2022 zog die Firma „Pausenwerk“ ein, in den dort eingerichteten Küchen wird das Mittagessen für ein Dutzend Schulen und Kinderhorte zubereitet.  

Lehrerdienstwohnungen: Essen in der Kantine - Bienenzucht möglich

12. Lehrerdienstwohnungen

Aus dem Jahr 1902 stammt eine Beschreibung der Dienstwohnung im Schulhaus. Demnach besteht sie aus vier heizbaren Zimmern, einer Küche, einer Kammer, einer Waschküche, Keller, Speicher und Holzremise. Die Kammer wurde im Jahr 1913 zum Bad umgewandelt, 1939 wurde in das Bad ein Wasserklosett eingerichtet, das bisher außerhalb der Wohnung neben der Waschküche war (siehe dazu die Pläne in Kap. 2).

Im Jahr 1922, also kurz vor der beginnenden Hyperinflation, legte das Bezirksamt Tirschenreuth für die Dienstwohnung I. Ordnung in Steinmühle für den Hauptlehrer Theodor Mayer eine jährliche Miete von 600 Mark fest. Der Betrag werde durch Abzug bei der Auszahlung des Diensteinkommens in Teilbeträgen eingehoben. Die Gemeinde hatten die Mieten für Schulbedarf zu verwenden und ggf. als Grundstockvermögen für einen Schulhausbaufonds anzulegen. Für die Dienstwohnung III. Ordnung des Lehrers Josef Landgraf wurden 180 Mark verlangt. Wegen der Hyperinflation und der Reform der Renten- bzw. Reichsmark nach der Hyperinflation sowie die Referenz auf die „Friedensmiete“ von 1914 sind Vergleiche problematisch. Mitte 1922 werden diese Preise genannt: 1 Pfund Brot 3.50 Mark, 1 Pfund Fleisch 50 M, 1 Zentner Kartoffeln 160 Mark.

Für das Jahr 1926 wurden für das Schulgebäude in einer „Aufstellung der Volksschulen im Regierungsbezirk Oberpfalz“ eine Dienstwohnung I und eine Dienstwohnung III beschrieben:   Steinmühle liegt an der Wondreb, Bahnstation selbst, Post Mitterteich, Sprechstelle im Gemeindezimmer im Schulhaus; Wege gut, Wald in unmittelbarer Nähe, im Ort elektrisches Licht und Wasserleitung; Badegelegenheit in der Wondreb; Schul- und Wohngebäude mit zwei Schulzimmern, Dienstwohnung I und III und Gemeindezimmer; Heizung und Reinigung gegen 90 Mark;

Dienstwohnung I: vier heizbare Zimmer, Wohnung mit elektrischem Licht, Friedensmiete 320 Mark, mit laufendem Wasser, eigener Abort, daneben Waschküche mit laufendem Wasser, großer trockener Keller, im 1. Stock Bad, elektrisches Licht; Hausgarten mit 20 Obstbäumen, 30 Spaliere, Vergütung 20 M, Gelegenheit zur Bienenzucht;

Dienstwohnung III: ein heizbares Zimmer, nicht abgeschlossen kein eigener Abort, kein Garten, ohne gemeindliche Zimmereinrichtung, Friedensmiete 80 Mark, Verpflegung in der Kantine möglich, für verheiratete Lehrer keine Privatwohnung erhältlich.

 

Am 26.8.1951 beschloss die verstärkte Gemeindeverwaltung einstimmig, Herrn Karl Sinik die bisherige Schulküche als Wohnraum zuzuteilen. Auf dem Dachboden solle ein Raum für die Registratur eingerichtet werden 

Schon am 6.11.1952 wurde eine weitere „Umwidmung“ nötig, man beschloss das bisherige Registraturzimmer Herrn Lehrer Böhm vorübergehend als Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Die Wohnungssituation für die Lehrkräfte war in den 50er-Jahren insgesamt schwierig. Die Lehrerin Maria Schinner übernahm 1956 in Steinmühle die ersten drei Klassen, fand aber zunächst nur in Mitterteich eine Wohnung und musste pendeln. Schließlich zog sie 1960 in das von der Gemeinde gerade errichtete „Lehrerwohnhaus“ in Pleußen mit drei Wohnungen ein. Im selben Haus war auch die Gemeindekanzlei untergebracht, die seit dem Krieg im 1. Stock des alten Schulhauses ihre Räume gehabt hatte. Später beherbergte das Haus im Erdgeschoss die Sparkassenfiliale, dann zeitweise ein Blumengeschäft. Heute sind drei Wohnungen im Gebäude, das der Stadt Mitterteich gehört.

der wertvolle Beitrag der Schule zur Soziokultur in der Gemeinde

13. Rückblick und Fazit:

Erinnerungen an die Schulzeit? Jede und jeder dürfte schnell die eine oder andere Episode parat haben: Erfolgserlebnisse, Demütigungen, Ängste, Ferien, Schulfreunde, zugewandte und weniger zugewandte Lehrkräfte, Freundschaften, Streit, Zeugnisse, gemachte und vergessene Hausaufgaben,  Schulwegabenteuer, Versagensängste, erstes Anbandeln, Gemeinschafts-erlebnisse, Rangeleien, Spiele, Lob und Zeugnisse. An der Dorfschule Steinmühle haben im Lauf von sieben Jahrzehnten weit mehr als tausend Jungen und Mädchen täglich den für manche auch langen Schulweg auf sich genommen – in ganz unterschiedlichen Gefühlslagen. Nicht zu vergessen die unterschiedlichen politischen Verhältnisse und gesellschaftlichen Bedingungen in Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeiten: Gehörte das erste Jahrzehnt der Schule noch in die Prinzregentenzeit Bayerns, so folgten die vier Kriegsjahre in der Kaiserzeit, die Wirren der Nachkriegszeit, die Weimarer Republik, die NS-Zeit mit den sich anschließenden Kriegsjahren, dann erneut schwierige Jahre mit Kriegsfolgen und danach die ersten zwei Jahrzehnte „Nachkriegszeit“ mit wirtschaftlichem Aufschwung und einer stabilen demokratischen Entwicklung. Und schließlich die Auflösung der Schule mit der Umgliederung nach Mitterteich.

Wie ist die Bedeutung der Dorfschule Steinmühle einzuschätzen? Wo liegen ihre Verdienste?

Bei der Eröffnung im Jahr 1903 lobte der Aufsichtsratsvorsitzende des Basaltwerks und Gutsbesitzer Josef Wiendl, der die Gründung mit gefördert hatte, die Behörden für ihren Schritt, weil mit ihr „besonders den Arbeiterkindern eine große Wohlthat erwiesen wurde“. Im Rückblick ist die Formulierung eher als Untertreibung einzuschätzen. Denn die Schule sollte allen Kindern und jungen Leuten wie auch der Gemeinde zur „großen Wohlthat“ werden Allerdings konnte niemand die weitere Entwicklung ahnen, auch nicht welche Herausforderungen mit Bau und Erhalt der Schule auf die Gemeinde zukommen würden.

Es liegt auf der Hand, dass die Dorfschule über die primären Aufgaben der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten hinaus nicht zu unterschätzende Aufgaben für die Soziokultur in der Gemeinde übernahm. Anders als in einer „Stadtschule“, wo die Kleinkinder über Kirche,  Nachbarn, Läden, Spielplätze oder städtische Einrichtungen Kontaktmöglichkeiten untereinander haben, wurde die Schule „auf dem Dorf“ erster Begegnungsort für Kinder wie Eltern aus verschiedenen Ortschaften und Milieus von Forkatshof bis zum Gulg und von Hofteich bis Alt-Pleußen, sie führte Buben und Mädchen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen zusammen, aus Kleinbauern- und Steinbrucharbeiterfamilien, aus Eisenbahner- und Großbauernfamilien, aus Tagelöhner-, Angestellten- und Handwerkerfamilien. Was man heute „soziales Lernen“ nennt und häufig eigene Projekte braucht, war auf dem Schulweg, im Pausenhof, im Unterricht oder beim Wandertag für die Kinder Alltag – ohne große Curricular-Konzepte oder der Festschreibung von Kompetenzerwartungen. Man musste und konnte in der Regel auf die Fähigkeiten und das Engagement der Lehrkräfte vertrauen, die unter meist bescheidenen Umständen ihre pädagogische Arbeit verrichten mussten. Immerhin half ihnen bei ihrer Arbeit die damals noch meist selbstverständliche Reputation des Lehrerstands in der Bevölkerung. Mit dem Bau der Kirche in Steinmühle in den 1930er-Jahren und dem Entstehen einer Expositurgemeinde übernahm auch das kirchliche Leben verwandte Aufgaben.

Die Schule dürfte in den allermeisten Fällen zudem ihrer Aufgabe gerecht geworden sein, die Kinder und jungen Leuten durch die verschiedenen Phasen ihrer persönlichen Entwicklung begleitet zu haben. Ob und wie im Einzelfall Bildung und Erziehung, die Hinführung auf Beruf und Leben gelangen oder auch eine weitergehende individuelle Förderung einzelnen jungen Leuten weitere Chancen eröffnete, ist naturgemäß nicht generell zu beurteilen. Auch wenn er nicht messbar ist: Unbestreitbar hoch dürfte der Beitrag von Schule und Lehrkräften zum Gemeinschaftsleben in der Gemeinde gewesen sein. Kleines kulturelles und soziales Zentrum im Mikrokosmos der Gemeinde war die „Dorfschule Steinmühle“ in diesen sieben Jahrzehnten allemal.


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